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Tim | 29 août 2016

Meinung: Filmkritiker sind nötiger denn je!

Der Beruf des Filmkritikers steht mit erstaunlicher Regelmäßigkeit im Mittelpunkt hitziger Diskussionen. Gerade dieses Jahr ist das Thema geradezu omnipräsent. Auslöser der aktuellen Debatte war zunächst das Debakel um Batman v Superman, einem der teuersten Filmprojekte aller Zeiten und gleichzeitig Startpunkt für das DC Extended Universe. Allerdings kam der Film bei Kritikern alles andere als gut weg: Bemängelt wurden vor allem fehlender Tiefgang, ein unlogischer Twist sowie die zum Selbstmord verleitende, depressive Atmosphäre. Auch etliche Zuschauer waren nicht sonderlich von Zack Snyders Blockbuster angetan, selbst wenn die Bewertungen nicht ganz so negativ ausfielen. Hardcore-Fans der Comics hingegen scharrten bereits mit den Füßen: Die Comicverfilmungen aus dem Hause Marvel werden schließlich ständig über den Klee gelobt. Haben die Kritiker diesen anderen Ansatz vielleicht schlicht missverstanden? Wirklich laut wurden die Fans aber erst, als auch der nächste Film im DCEU abgestraft wurde, namentlich Suicide Squad. Mit dem Schurken-Abenteuer sollte eigentlich alles besser werden, das zeigten allein die unfassbar erfolgreichen Trailer. Bei der bekannten Webseite Rotten Tomatoes steht Suicide Squad allerdings noch schlechter da als Batman v Superman!

Der Shitstorm war vorprogrammiert. DC-Fans warfen mit Beschuldigungen um sich wie einst Adam West mit Lebensweisheiten: Voreingenommen seien die Kritiker! Von Disney beziehungsweise Marvel gekauft! Hätten eh keine Ahnung von der Materie! Sogar eine Petition wurde gestartet, die Rotten Tomatoes in die Knie zwingen wollte – wohlgemerkt bevor Suicide Squad überhaupt im Kino lief. Doch es blieb nicht bei den konkreten Vorwürfen, die sich um das DC-Universum drehen. Schnell stand der gesamte Berufsstand des Kritikers … nun, in der Kritik. Das sei eh nur ein elitärer Verein voller Snobs mit unrealistischen Ansprüchen, die jedes bisschen Blockbuster (lies: Unterhaltung) sofort abschießen. Überflüssig seien sie obendrein, immerhin gibt es im Internet mehr als genug Blogger und YouTuber. Die haben nicht nur einen besseren Geschmack sondern sind auch vertrauensvoller. Und wenn alle Dämme brechen, kann man sich immer noch auf die Meinung des Publikums verlassen, das den Film gesehen hat und nicht überanalysiert. Das sei mit Sicherheit näher an der Realität als die abgehobene Meinung der Wichtigtuer, die sich Kritiker nennen.

Ja, so ungefähr wird der gemeine Kritiker im Internet dargestellt. Heftige Beschuldigungen – und meiner Meinung nach kompletter Unsinn! Ich sage: Kritiker sind wichtig! Heute vielleicht mehr denn je!

Darum brauchen wir (gute) Kritiker

Gründe für Kritiker gibt es viele. Beginnen wir mit dem vielleicht offensichtlichsten Argument: Professionelle Kritiker kennen sich mit ihrer Materie, in diesem Fall Filmen, deutlich besser aus als Ottonormalverbraucher. Sie beschäftigen sich tiefgehender mit ihrem Metier, wissen um die Geschichte der Filmindustrie, die Entwicklung des Films über Jahrzehnte hinweg. Auch Filmtheorie ist ihnen geläufig, was ihnen die Bewertung des Handwerks von Filmemachern erst ermöglicht. Kurzum, sie wissen, worauf es beim Erzählen einer Geschichte ankommt. Dieses geballte Wissen macht es für Kritiker wesentlich einfacher, ein künstlerisches Werk wie einen Film zu beurteilen, zu vergleichen und letzten Endes zu verstehen. Davon profitiert auch der Leser, der sich durch die Filmbesprechung des Kritikers nicht nur informiert. Seine Aufmerksamkeit wird gegebenenfalls auf Dinge gelenkt, die ihm sonst niemals aufgefallen wären. Beispiele dafür gibt es zuhauf, etwa dass bestimmte Farben oder Kamerawinkel selten ein Werk des Zufalls sind. Der Großteil der Zuschauer von Breaking Bad hätte vermutlich nie von selbst bemerkt, dass die Kleidung von Protagonist Walter White im Verlauf der Handlung immer dunkler wird – genau wie sein Charakter. Oder aber die vielen Zitate und Kommentare, die sich in jedem Film von Quentin Tarantino oder den Coen-Brüdern verstecken. Durch diesen Wissensvorsprung hat ein guter Kritiker gänzlich andere Möglichkeiten, einen Film zu besprechen und zu bewerten als jemand, der nur alle Jubeljahre ins Kino geht und seine Meinung mit einem bis fünf Sternen oder einer Skala von 1 bis 10 ausdrückt.

Mit den Bewertungen sind wir bei einem weiteren Unterscheidungsmerkmal: Eine Kritik ist nicht das Gleiche wie ein Produkttest! Von Letzterem erwartet der Leser nicht mehr als einen Daumen nach oben oder unten, ob es sich lohnt, für einen bestimmten Film ein Kinoticket zu kaufen. Eine vernünftige Kritik bietet diese Kaufberatung zwar auch zu einem gewissen Punkt, sucht aber vielmehr den Dialog mit dem Leser. Es wird interpretiert und analysiert, subjektiv wie objektiv argumentiert. Daraus zieht sich der Leser die Infos, die für ihn wichtig sind, sei es der Look eines Films, die Art des Geschichtenerzählens oder einfach die zugrundeliegende Thematik. In diesem Sinne richtet sich eine gute Kritik vor allem an Menschen, die sich näher mit dem Thema Film beschäftigen. Genau das darf man nicht unterschätzen, denn ein Großteil der Hater, die sich über Kritiker beschweren, lesen die entsprechenden Texte gar nicht! Sie suchen einfach nach Meinungen, die mit der eigenen konform gehen beziehungsweise einer klaren Bewertung, die den Ticketkauf rechtfertigt.

Natürlich richtet sich eine Kritik auch an die Filmemacher. Auch wenn es vielen sauer aufstößt: Dass bei einer Besprechung oft die schlechten Seiten eines Films im Vordergrund stehen, hat nichts mit Böswilligkeit zu tun. Vielmehr handelt es sich um die langfristige Entwicklung des Mediums insgesamt. Nur wenn man auf – in Ermangelung eines besseren Wortes – Fehler aufmerksam gemacht wird, kann man aus diesen lernen und es beim nächsten Mal besser machen. Davon profitieren letzten Endes alle Zuschauer, nicht nur solche, die sich tiefgehender mit der Materie auseinandersetzen. Schaut euch doch die Filmindustrie heutzutage an und vergleicht das mit früheren Jahrgängen. Allein in Sachen Inszenierung und Professionalität sind wir heute auf einem ganz anderen Level – und das hat nicht ausschließlich mit der technischen Weiterentwicklung zu tun! Selbst kleinere Projekte wie Indie-Filme müssen sich heute nicht vor der großen Konkurrenz verstecken, siehe etwa Ex Machina. Wo wir bei den kleineren Projekten sind: Gerade für sie ist ein professioneller Kritiker unverzichtbar! Mit seinen Empfehlungen hilft er Werken weiter, die keine Millionenbudgets für Werbung im Keller liegen haben. Und man darf durchaus hinterfragen, ob Filme wie Boyhood oder Birdman ohne die Lobhudeleien der Kritiker die gleiche Aufmerksamkeit erfahren hätten. Oder auch ein 10 Cloverfield Lane, dem ersten Kinofilm des Regisseurs Dan Trachtenberg. Und das sind nur die bekanntesten Projekte dieser Art! Die Einschätzung von unbekannteren Filmen ist auch bei internationalen Filmen enorm wichtig. Wie, wenn nicht durch die Meinung von Kritikern, soll ein Publisher entscheiden, welche Filme aus dem Ausland für den heimischen Markt geeignet sind?

Bei all meiner Liebe für gute Kritiker, eine Sache ist natürlich auch mir klar: Kritiker sind nicht unfehlbar. Weit davon entfernt, um ehrlich zu sein! Es gibt jede Menge Kultfilme, die teilweise zu den besten ihrer Art zählen, von den Kritikern der Zeit aber nicht angenommen wurden. Sei es jetzt ein ulkiges Projekt wie Die Geister die ich rief mit Bill Murray; ein harter Actionfilm der Marke Predator mit Arnold Schwarzenegger; ein brillanter Sci-Fi-Thriller wie Blade Runner, der den Zuschauer zum Mitdenken auffordert; oder Horrorklassiker wie Psycho oder The Shining. Kaum ein Kritiker konnte diesen Filmen etwas Positives abgewinnen und lag damit offensichtlich falsch. Doch sie begründeten ihre Meinungen und standen mit ihren Namen für ihre Ansicht ein, was für mich auf jeden Fall besser ist als die Alternative, um die es im nächsten Absatz geht.

Die Alternativen: Es mangelt an allen Ecken und Enden

Die Behauptung, Kritiker seien nicht länger nötig, scheint im ersten Moment gar nicht so weit hergeholt. So kann jeder innerhalb von Sekunden seine Meinung mit der gesamten Welt teilen, dem Internet sei Dank. Die unzähligen Blogger da draußen kennen sich schließlich auch mit der Materie aus und sind mit ihren Kritiken oft sogar schneller als die Profis (gerade in Bereichen wie Musik). Neben den Bloggern gibt’s ja auch noch die vielen sympathischen YouTuber, denen man viel eher trauen kann als irgendeinem gesichtslosen Kritiker. Dazu kommen Plattformen wie Metacritic und Rotten Tomatoes, die mit Durchschnittswertungen für objektive Bewertungen sorgen. Nicht zu vergessen die Zuschauer selbst, die in sozialen Netzen, auf IMDB oder Amazon ihre eigenen Einschätzungen abgeben. Die geballte Macht der Zielgruppe selbst kann doch gar nicht daneben liegen, oder? Ja, kann man so sehen. Ich aber denke: Alles ausgemachter Blödsinn.

Bleiben wir zunächst bei den Bloggern, für die ich mein Urteil gerne einschränke. Natürlich gibt es viele wirklich, wirklich gute Blogger, die genauso gut analysieren, einordnen und bewerten wie professionelle Kritiker. Das Problem ist eher, dass auf jedes Paradebeispiel gefühlt 100 furchtbare Meinungsverbreiter kommen, die qualitativ auf einem ganz anderen Level sind. Im negativen Sinn, versteht sich. Als Leser muss man von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden, wie man die jeweiligen Leute einschätzt. Trotzdem ist es prinzipiell nichts Schlechtes, dass mehr Stimmen zu einem Film existieren, auch wenn es für den Leser dadurch nicht einfacher wird, Vertrauenspersonen zu finden. Problematischer wird es bei den ach so authentischen YouTubern, die von ihren Abonnenten, ach, nennen wir das Kind beim Namen, die von ihren Fans für unabhängig und unbestechlich gehalten werden. Dieses gewaltige Vertrauen basiert hauptsächlich darauf, dass man das Gesicht der YouTuber regelmäßig auf dem Bildschirm sieht. Dabei ist längst bekannt, dass etliche der Stars (nein, nicht alle) direkt von Firmen bezahlt werden. Sie sind unterm Strich nicht mehr als Werbemaskottchen, die nur scheinbar ehrlich über Filme, Produkte oder sonst was reden. Was übrigens prinzipiell in Ordnung ginge, würden die YouTuber solche bezahlten Videos kennzeichnen. Doch genau das passiert bei den wenigsten! Und bevor jemand sagt, dass Elbenwald auch einen YouTube-Kanal betreibt, auf dem auch nicht groß “Werbung” steht: Vollkommen richtig, aber dem geneigten Zuschauer ist gerade noch zuzutrauen, dass ein Kanals eines Shops Werbung ist. Bei einem YouTuber, der als Privatperson auftritt, ist das nicht sofort ersichtlich.

Aber es gibt ja immer noch Plattformen wie Metacritic, IMDB und Rotten Tomatoes! Steckt hinter dem Durchschnitt dieser scheinbar objektiven Zahlen der Weisheit letzter Schluss? Ich sage nein, denn eine Durchschnittswertung drückt in keinster Weise aus, wie es zur Bewertung eines Kritikers beziehungsweise einer Publikation kam. Für solche integral wichtigen Details muss man schon die gesamte Kritik lesen – und sollte sich dabei bewusst sein, dass jede Webseite andere Kriterien für die Bewertung an den Tag legt. Rotten Tomatoes möchte ich da ein kleines bisschen herausnehmen, weil die große Prozentzahl lediglich angibt, welcher Anteil der Kritiker einen Film überwiegend positiv einschätzt. Die Wertung ist so gesehen weniger objektiv als es den Anschein hat, dennoch muss man zum Verständnis die einzelnen Kritiken lesen. Bleiben noch die Zuschauermeinungen selbst, die man bei IMDB, Amazon (dann eher zur Blu-ray-Veröffentlichung eines Films) oder auch Metacritic findet. Wenn man sich aber genauer anschaut, wie von vielen den selbsternannten Privat-Kritikern argumentiert wird, muss man sich die Haare raufen. Ganz offensichtlich haben einige Leute keine Fähigkeit, eine realistische Einschätzung abzugeben. Da konzentriert man sich beispielsweise auf ein einzelnes von tausend Elementen und versucht erst gar nicht, objektiv an ein gesamtes Projekt heranzugehen. Lieber wird geschrieben: “Bäh, den Schauspieler mag ich nicht. Null Punkte.” Ähnlich bei Amazon, wo Produkte aus ganz anderen Gründen mit 1-Sterne-Bewertungen abgestraft werden, etwa einem Kopierschutz. Vielleicht werden diese Bewertungen aber auch durch die vielen 5-Sterne-Rezensionen ausgeglichen, die sich über einen schnellen Versand freuen … In den sozialen Medien wird es nicht unbedingt besser, auch wenn es hier natürlich positive Ausreißer nach oben gibt. Doch es genügt gefühlt 90 Prozent der Kommentierenden, einen Film anhand einer einzigen Info zu bewerten. Ghostbusters mit Frauen? Was ein Schrott. Glitzernde Vampire? Ich geh dann mal sterben. Ben Affleck als Batman? Gute Nacht DC. Eine Ausnahme lasse ich aber gerne zu: Wenn ihr einen Freund habt, der sich aus- und dazu noch euren persönlichen Geschmack kennt, ist das besser als jede Kritikerwertung. Allerdings lauft ihr auch Gefahr, bei solchen Empfehlungen immer eine ähnliche Art Film zu bekommen.

Für die Zukunft des Films!

Versteht mich nicht falsch: Mit diesem Meinungsartikel will ich nicht sagen, dass ihr ab sofort Filmkritiken lesen müsst, wenn ihr das bislang nicht gemacht habt. Genau so wenig denke ich, dass man sich nur Filme anschauen soll, die von Kritikern gelobt werden. Es ist vollkommen in Ordnung, einfach zu Unterhaltungszwecken oder wegen eines Event-Gefühls ins Kino zu gehen. Um der echten Welt zu entfliehen oder Spaß mit Freunden zu haben. Das mache ich selbst auch so! Und manchmal ist ein schlechter Film zur rechten Zeit sogar genau das Richtige. In diesem Sinne habe ich auch überhaupt nichts gegen Blockbuster, die im Kino wegen ihrer Inszenierung selbst dann funktionieren, wenn sie in anderen Belangen etwas hinterherhinken. Das alles ändert aber nichts daran, dass Kritiker noch immer ihre Daseinsberechtigung haben. Die Kinolandschaft ist heute schon recht homogen, Filme ähneln sich mehr und mehr. Das sieht man allein an der Auflistung der erfolgreichsten Filme der letzten Jahre: Fast durchweg sind hier bildgewaltige Krach-Bumm-Abenteuer gelistet, die zudem auf einer bereits vorhandenen Geschichte basieren (etwa Buchverfilmungen) oder eine Fortsetzung sind. Kleine Projekte spielen im Vergleich längst nicht so viel Geld ein, ergo investieren die Filmstudios lieber in die erfolgreicheren Blockbuster. Weil die aber so teuer sind, werden direkt Mehrteiler oder Reboots eingeplant, um Risiken (oder zumindest Marketingkosten) zu minimieren. Wenn das so weiter geht, wird das Kino der Zukunft zum langweiligen Einheitsbrei – auch wenn er schön aussieht.

Kritiker mögen nicht unfehlbar sein, aber sie lenken die Aufmerksamkeit auf andere, interessantere Projekte. Sie sorgen indirekt für bessere Filme. Sie schulen Leser, die sich mehr mit Filmen befassen wollen, ja, irgendwann vielleicht sogar selbst in der Industrie arbeiten möchten. Ich werde weiterhin Filmkritiken lesen und anhand dieser entscheiden, ob ich einen Film im Kino anschaue oder nicht. Was nicht bedeutet, dass man sich nicht eine eigene Meinung bilden soll! Aber vielleicht genügt es auch, sich ein scheinbar nicht ganz so gelungenes Werk etwas später aus der Videothek auszuleihen, anstatt 15 Euro für das IMAX-Ticket zu bezahlen. Daher mein Schlusswort: Wer sich wirklich für Filme interessiert, soll Kritiken lesen! Er soll nicht nach Durchschnittswertungen schauen oder Meinungen suchen, die dem eigenen Denken entsprechen. Stattdessen einfach eine gesamte Kritik lesen, die Argumente mitnehmen und darüber nachdenken, dass sich der Kritiker sehr wohl Gedanken darüber gemacht hat, was er da eigentlich schreibt. Wer darauf keine Lust hat: kein Problem. Aber wenn ihr eh keine Kritiken lest, macht bitte nicht den gesamten Berufsstand schlecht.

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