Archiv | 25 mars 2016
Hobbys im Mittelalter – Alles genau wie heute?
Die meisten Menschen sind der Ansicht, dass es im Mittelalter keine Hobbys gab. Immerhin hatten die Leute damals ganz andere Probleme, genügend Essen zum Überleben anzusammeln beispielsweise. Und überhaupt, je nach gesellschaftlicher Schicht und mittelalterlicher Epoche hatten Normalsterbliche gar keine Zeit für irgendwas, ein typischer Arbeitstag dauerte rund zwölf Stunden. Felder mussten beackert, Tiere gepflegt, Kleidung gestrickt, gesponnen und gefärbt werden. Wen wundert es also, dass die Freizeitgestaltung für die meisten eine untergeordnete Rolle spielte? Dass es damals keine Hobbys gab, ist dennoch ein Irrglaube.
In diesem Sinne wollen wir kurz ein anderes Thema aufgreifen: Der Sonntag wurde für Christen bereits im späten Römischen Reich zum Ruhetag erklärt. Mit der Zeit wurden die Gebote für den siebten Wochentag immer strenger, wer im Mittelalter (je nach Epoche) an diesem Tag arbeitete, gefährdete gar sein Seelenheil. Das galt natürlich auch an anderen Feiertagen. Ergo gab es durchaus arbeitsfreie Zeiten und damit Zeit für Hobbys! Allerdings muss man erwähnen, dass die äußeren Umstände beim Thema Freizeitbeschäftigung eine wichtige Rolle spielten. Welchen Hobbys man nachgehen konnte, wurde nicht selten vom gesellschaftlichen Stand, dem Wohnort und dem Vermögen bestimmt – das ist heute nicht anders. Apropos: Im Prinzip gehen wir heute noch immer den gleichen Hobbys nach wie damals, wenn auch in leicht abgewandelter Form.
Feste: Das nicht alltägliche Vergnügen
Wir sprachen bereits die Feiertage an. Diese waren im Mittelalter stark durch den christlichen Glauben geprägt, daher gab es zu Ostern oder Allerseelen entsprechende religiöse Rituale. In den meisten Fällen blieb es aber nicht beim Verlesen einer Messe, dazu kam die Aufführung von kirchlichen Theaterstücken und anschließendes ein großen Essen. Neben Kirchenfesten gab es aber auch ganz andere Anlässe, etwa Hochzeiten, Geburten oder Vertragsabschlüsse. Dabei war es nicht unüblich, dass die reichen Fürsten ihre Untertanen an ihren Feiern teilhaben ließen – das Volk musste schließlich bei Laune gehalten werden. Heute wie damals gab es in Städten mehr Abwechslung als auf dem Land oder einer Burg, deswegen wurden bei letzteren Standorten manchmal extra Feste gefeiert, wenn Gaukler und Spielleute eintrafen. Das fahrende Volk zog gewöhnlich von Dorf zu Dorf, wurde aber nicht immer konkret dafür engagiert oder eingeladen. Die Feste wurden gefeiert, wie sie fielen. So wie heutzutage eben eine Party stattfindet, wenn jemand Geburtstag hat.
Zum Standard einer Mittelalterfete gehörten viel Essen, ein Trinkgelage, Tänze und Unterhaltung in Form von Spielen und künstlerischen Aufführungen. Wo man heute in den nächsten Club fährt, bereitete man damals große Plätze aufwendig für die Feierlichkeiten vor. Statt dicht zusammen gequetscht zum Rhythmus der Musik zu hüpfen, waren langsame Tänze wie die Polonaise oder Reigentänze das bevorzugte Mittel, sich in der Gesellschaft näher zu kommen – auch wenn sich dabei höchstens die Fingerspitzen der Tanzpartner berührten. Für die Musik war kein DJ oder eine Band verantwortlich sondern Minnesänger, fahrende Musikanten (na gut, das ist quasi eine Band …) oder die Gäste selbst. Eine Party endete übrigens nicht zwangsweise am gleichen Tag, manchmal zogen sich Veranstaltungen über mehrere Tage hin. Das wiederum erinnert an die Sommer-Festivals von heute. Da es aber nicht jeden Tag irgendwas zu Feiern gab, brauchte es noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten.
Öffentliche Freizeitbeschäftigungen
Märkte im Mittelalter boten ein großes Fundament an Unterhaltung. Man kann sie nicht mit dem heutigen Supermarkt vergleichen, wo nur Nahrungsmittel und andere nützliche Dinge angeboten werden. Der Vergleich zum modernen Einkaufszentrum passt schon besser, selbst was die Standortwahl angeht. Denn Marktstände wurden zunächst vor der Stadt aufgebaut, erst im Laufe der Zeit verlegte man sie hinter die Stadtmauern. Gleiches gilt für Einkaufszentren, die zu Beginn eher an Ausfallstraßen und erst später im Ortszentrum auffindbar waren. Und in beiden Fällen sprechen wir von Orten, die man nicht nur aufsuchte, um bestimmte Sachen einzukaufen. Auf einem mittelalterlichen Markt gab es neben Lebensmitteln auch Barbiere, Rahmenprogramm in Form von Gauklern, Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft und sämtlichen anderen Krimskrams. Genau wie im Einkaufszentrum, wo Modegeschäfte, Food-Courts, Friseure und Ausstellungen unter einem Dach Platz finden. Und in manchen Fällen sogar Kinos!
Apropos Kino: Menschen mochten es schon immer, sich von Geschichten oder Musik berieseln zu lassen. Da es damals aber keine große Leinwand oder zigtausend musikalische Streaming-Dienste (geschweige denn Internet) gab, freute man sich über die Aufführungen von Gauklern oder Musikanten. Lange Zeit war im Mittelalter nur die Wanderbühne üblich, nicht das sogenannte stehende Theater. Dieses Vergnügen war eher zufällig vorhanden, als dass es einen festen Platz mit regelmäßigen Aufführungen hatte. Na ja, die Konzerte unserer aktuellen Lieblingsbands finden auch nicht immer auf derselben Bühne statt. Zu Musik passt aber Alkohol, und damit kommen wir zum nächsten festen Bestandteil des Lebens im Spätmittelalter: dem Gasthaus. Damals wie heute ein Ort, in dem man trinkt, sich mit Freunden austauscht und auch mal um Geld spielt.
Damit zu zwei spektakuläreren Vergleichen: Ein besonders großes und beliebtes Event war das Ritterturnier: Hier feuerten die Leute ihre Favoriten an, die im körperlichen Wettkampf absolut alles gaben, trotz hoher Verletzungsgefahr. Auf die gleiche Art und Weise könnte man ein heutiges Fußballspiel oder andere Sportveranstaltungen beschreiben. Nicht weniger beliebt war – jetzt wird’s makaber – der Pranger beziehungsweise die öffentliche Hinrichtung. Gut, aus heutiger Sicht klingt das menschenunwürdig und grausam, für die Leute im Mittelalter war es aber das pure Freizeitvergnügen. Wenn man etwas querdenkt und seine Fantasie spielen lässt, kann man das durchaus mit dem aktuellen Fernsehprogramm vergleichen. Während wir auf dem Nachrichtensender das Foto eines Mörders anglotzen, läuft auf dem nächsten Sender eine Reality-Show, wo “interessante” Menschen zur Schau gestellt werden. Wahrscheinlich würden wir diese auch mit Tomaten bewerfen, wenn wir den Fernseher nicht selbst putzen müssten. Vielleicht werden Kriminelle nicht in unseren Einkaufszentren vor aller Augen hingerichtet, das öffentliche Zuschaustellen von Leuten gilt aber nach wie vor als Unterhaltung.
Zeit zum Spielen
Neben festlichen Anlässen, dem Einkaufen und Hinrichtungen gab es auch schon eine ganze Palette an Spielen! Wo heutige Generationen als erstes an Videospiele denken, meinen wir natürlich ganz klassische Brettspiele. Sowohl Kinder als auch Erwachsene versuchten sich im Schach und Backgammon, auch Würfel- und Kartenspiele waren ganz schön angesagt. Letztere waren besonders verbreitet, was vermutlich daran lag, dass man sie so leicht transportieren konnte. Auch Kegelgilden gab es damals schon, die sich wie heutige Kegelclubs oder Bowling-Liebhaber zum freundschaftlichen Wettstreit trafen. Wobei, der Wettkampf war eher nebensächlich, hauptsächlich traf man sich mit Freunden, um Spaß zu haben. Das vermutlich speziellste Hobby des Mittelalters ist aber die Jagd, die auch heute noch vereinzelt durchgeführt wird. Im Gegensatz zu damals ist die Jagd aber nicht sonderlich verbreitet, was auch daran liegt, dass der praktische Nutzen fehlt (Speisekarte beziehungsweise Kleiderschrank füllen). Die Jagd war ohnehin nie für das gemeine Volk gedacht und dem Adel vorenthalten. Klar, das Ganze war auch ziemlich aufwendig, komplett mit dressierten Hunden oder Falken und einem Gebiet, auf dem man ohne Einschränkungen jagen durfte. Hmm, wenn wir so drüber nachdenken … eine feine Gesellschaft, die an sonnigen Tagen ins Grüne zieht, um in bequemer Manier etwas Kleinem zu folgen. Denkt da noch jemand an Golf?
So oder so, das Repertoire an Freizeitbeschäftigungen war damals vielleicht eingeschränkter als heute, trotzdem gab es eine gewisse Vielfalt. Und an den Interessen von damals hat sich nicht wirklich viel geändert: Die Leute wollen Feste feiern, Geld ausgeben, sich von Schaustellern eine Geschichte erzählen lassen, Spielenachmittage veranstalten, bei Sport-Events dabei sein und sich über andere lustig machen. Technisch haben wir uns wirklich weiter entwickelt. Sonst hat sich aber nicht allzu viel verändert.