Tim | 22 avr. 2015
Avengers: Age of Ultron – Gleich und doch anders
Dieses Jahr wurde kein Film so sehr gehypt wie Avengers: Age of Ultron. Na gut, vielleicht abgesehen vom nächsten Star Wars. Sei’s drum, die Erwartungen sind gewaltig! So gewaltig, dass sie nur von der potentiellen Fallhöhe für Marvel übertroffen werden. Wir alle wissen aber, dass es nicht gut ist, sich mit hohen Erwartungen einen lang herbeigesehnten Film anzuschauen. Also haben wir vorgesorgt…
Präambel: Wir Elbenwäldler hatten Glück, dass wir zu zweit in der Pressevorführung von Age of Ultron Platz nehmen durften. Das haben wir natürlich ausgenutzt, um schon während der Fahrt zum Kino zu diskutieren: Haben Superhelden-Filme ihren Zenit überschritten? Ist Marvels Filmuniversum nicht dazu verdammt, so unübersichtlich wie undurchschaubar zu werden wie das Comic-Pendant? Am Ende der Diskussion war die Stimmung entsprechend negativ geladen. Perfekte Ausgangslage also für Age of Ultron! Und tatsächlich: Unsere Erwartungen wurden übertroffen! Warum wir eine uneingeschränkte Empfehlung an Comicfilm-Fans aussprechen, erklären wir in den folgenden Zeilen. (Ach ja, eins noch: Der Film ist auch super, wenn man mit hohen Erwartungen im Kinosaal Platz nimmt!)
I’m afraid I can’t do that, Dave
Bleiben wir noch mal kurz bei dem schönen Wort Präambel, denn genau so könnte man den Einstieg von Age of Ultron bezeichnen. Die Eröffnungssequenz erinnert im besten Sinn an einen guten James Bond-Streifen. Soll heißen, wir werden Mitten in eine laufende Mission geworfen, die wir erst nach und nach ganz durchblicken. Darüber können wir auch ohne große Spoiler-Warnungen sprechen: Das Superhelden-Ensemble versucht, das berüchtigte Chitauri-Zepter von Baron Wolfgang von Strucker zurückzuholen. Hä? Was jetzt!? Okay, rudern wir kurz zurück. Das Chitauri-Zepter ist der Gegenstand, mit dem Loki im ersten Avengers für ordentlich Chaos sorgte. Die Präsenz von Wolfgang von Strucker hingegen symbolisiert, wie eng die Marvel-Filme miteinander verstrickt sind. Denn von Strucker haben wir zuletzt in der Abspannszene von Captain America: Winter Soldier gesehen, als er in Besitz des Zepters gekommen ist. Diese unvollendete Storyline wird in den ersten fulminanten Minuten von Age of Ultron zu Ende geführt und bereitet den Weg für den restlichen Film. Entwarnung: Wer Winter Soldier nicht gesehen hat, versteht Avengers 2 natürlich trotzdem.
Die Kerngeschichte lässt sich eigentlich noch schneller zusammenfassen: Mit der außerirdischen Technik des Zepters kann Tony Stark endlich einen lang herbeigesehnten Traum verwirklichen, die Kreation von Ultron. Das ist eine künstliche Intelligenz, die die Verteidigung der Erde übernehmen soll, wenn die Avengers mal nicht mehr sind. Eine hochentwickelte KI, quasi ein Super-Roboter! Man kann sich denken, was als nächstes passiert. Ultron funktioniert nicht wie geplant und macht sich daran, die Menschheit auszurotten. Kennt man, hat man schon tausendmal gesehen. Und trotzdem stört der vergleichsweise einfache Aufbau nicht, weil die Geschichte exzellent umgesetzt ist – nicht nur visuell! Auch die Lösung des Konflikts gefällt, denn die Avengers setzen im Kampf gegen Ultron auf eine andere künstliche Intelligenz! Man darf auch erwähnen, dass Ultron nicht der typische Computer ist sondern über eine eigene Persönlichkeit verfügt.
Davon abgesehen ist der grundlegende Ton in Age of Ultron deutlich düsterer als im Vorgänger. Dafür sorgt beispielsweise einer der neuen Charaktere, namentlich Scarlet Witch, die mit ihren alptraumhaften Illusionen kurzzeitig für Horror-Feeling sorgt. Noch wichtiger ist aber die angespannte Beziehung zwischen den Superhelden, insbesondere Captain America und Iron Man geraten aneinander. Was nicht heißen soll, dass der typische Marvel-Humor wegfällt. Die One-Liner ziehen wie eh und je und unsere Mundwinkel zuckten nicht nur bei Äußerungen von Tony Stark. Hawkeye kommt etwa mindestens genauso sarkastisch rüber wie Iron Man, wenn er dem jungen Quicksilver dessen eigenen Spruch „Didn’t see that coming?“ an den Kopf wirft, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Insgesamt gibt es aber weniger Witzchen und auch weniger Anspielungen für Comic- und Film-Kenner. Age of Ultron fühlt sich gewissermaßen „erwachsener“ an und bereitet die nächste Phase des Marvel Cinematic Universe vor. Hat hier jemand Civil War gesagt?
Höher, schneller, weiter
Age of Ultron ist im besten Sinn eine Fortsetzung. Die bereits im ersten Teil grandiose Action wird mal eben im Vorbeigehen getoppt. Was Marvel da an beeindruckenden Momenten zusammengezimmert hat, ist einfach … naja, beeindruckend eben. Die vielen Trailer haben hier weder zu viel versprochen noch alle Highlights vorweggenommen. Dazu kommen mehr Superhelden, namentlich Quicksilver und Scarlet Witch. Die beiden kennt man eigentlich aus dem X-Men-Universum, schließlich handelt es sich um Mutanten. Letzteres wird in Avengers allerdings nicht erwähnt, die X-Men-Filmrechte liegen bei 20th Century Fox. Macht aber nix, die beiden sind eine gute Ergänzung. Falls ihr’s tatsächlich noch nicht mitbekommen habt, ganz kurz: Quicksilver ist übermenschlich schnell, Scarlet Witch hingegen kann unter anderem Energieschilde projizieren, in gewissem Umfang Gedanken lesen und Illusionen erschaffen.
Apropos Ergänzung: Fühlte es sich im ersten Avengers noch an, als wären Black Widow und Hawkeye Teilzeitstatisten, ändert sich das in Age of Ultron. Wir erfahren deutlich mehr über Black Widows Vergangenheit und sie entwickelt sogar eine nicht uninteressante Beziehung zu einem anderen Charakter. Die spannendste Figur des Films ist aber tatsächlich Hawkeye, der als einziges Mitglied der Avengers wirklich etwas zu verlieren hat. Und er hat vielleicht sogar die besten Sprüche auf Lager. Aber auch die anderen Charaktere fallen nicht nur in das Raster „mehr vom Gleichen“ sondern entwickeln sich weiter. Das wird am deutlichsten bei der bereits erwähnten Beziehung zwischen Iron Man und Captain America, die im dritten Teil von Captain America das zentrale Thema sein wird.
Mission Accomplished
Avengers: Age of Ultron erfüllt alle Erwartungen, die wir hatten. Die Action ist unerreicht gut umgesetzt und kommt gerade auf der großen Kinoleinwand optimal zur Geltung. Wer dachte, der Vorgänger sei krass, wird hier eines besseren belehrt. Trotz des KAWUMM-Faktors von 10,5 fühlt sich Avengers 2 nicht seelenlos an – was einige Fans dem dritten Hobbit-Film unterstellen. Das liegt allerdings weniger an der Story, die zwar von Anfang bis Ende bei Laune hält, aber nie übermäßig komplex wird. Es sind vielmehr die Superhelden an sich und ihre Beziehungen untereinander. Gerade der zuvor profillose Hawkeye mausert sich zum heimlichen Star des Films. Überhaupt muss man Joss Whedon gratulieren, dass er so viele Figuren in einem 140-minütigen Film unterbringt ohne Sinnhaftigkeit einzubüßen.
Also alles perfekt? Prinzipiell schon, solange man keinen Anwärter für den Oscar des besten Films erwartet. Zwei kleine Kritikpunkte möchten wir allerdings doch noch loswerden: Erstens ist das bereits vorab durchgesickerte Ableben eines Charakters (keine Angst, wir verraten nichts weiter) nur semi-gut umgesetzt. Tatsächlich war es uns ziemlich egal. Und zweitens möchten wir an dieser Stelle 20th Century Fox gratulieren, dass sie in X-Men: Days of Future Past den wesentlich besseren Quicksilver hinbekommen haben.
Abgesehen davon: Comic-Fans, schaut euch Age of Ultron an! Und zwar bitte auf der großen Leinwand.